Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute! (Römer 12, 21)

Für die Jahreslosung wurden in der Vergangenheit häufig Bibelverse gewählt, die Mut machen, trösten oder Zuversicht spenden, kurzum: als treuer und angenehmer Wegbegleiter durch das Jahr dienen. Das alles kann ich bei dem Losungstext für 2011 auf den ersten Blick nicht erkennen. Auf den zweiten Blick allerdings auch nicht, denn wenn man die Ausführungen des Paulus in den Versen davor liest, dann mahnt er zu einem Verhalten, das nahezu völlig unserer menschlichen Natur widerspricht: „Segnet eure Verfolger“ (Vers 14), „Strebt nicht hoch hinaus“ (Vers 16), „Vergeltet nicht Böses mit Bösem“ (Vers 17) und „Wenn nun dein Feind Hunger hat, so gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, dann gib ihm zu trinken!“ (Vers 20).

Das alles ist sicherlich sehr viel leichter gesagt als getan und stellt für 2011 ganz bestimmt für jeden von uns eine große persönliche Herausforderung dar. Aber hinter diesen Aufforderungen des Paulus steckt etwas ganz Großartiges, nämlich die wundervolle und unverdiente Barmherzigkeit Gottes. Und deshalb beginnt das Kapitel 12 auch mit den Worten: „Angesichts des Erbarmens Gottes …“. Ja, wir haben einen erbarmenden Gott, der nicht Böses mit Bösem
vergilt, der auch denen, die ihn lästern, noch vergibt und der sogar für seine Feinde sein Leben
lässt. Und machen wir uns nichts vor: auch wir waren einst Feinde Gottes (Römer 5, 10), und all die Barmherzigkeit, von der er wünscht, dass wir sie anderen entgegenbringen, hat er zuvor auch uns entgegengebracht. „Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Römer 5, 8).

Was der Vers der Jahreslosung von uns möchte sind daher keine großen Glaubensheldentaten
sondern Barmherzigkeit („Ich will Barmherzigkeit und nicht Opfer“, Matthäus 9, 13), weil auch uns Barmherzigkeit widerfahren ist. Und barmherzig zu bleiben bedeutet gleichzeitig auch, sich nicht vom Bösen überwinden zu lassen, denn das Böse macht hart und unbarmherzig. Gerade weil Barmherzigkeit nicht unbedingt zu unseren Naturbegabungen gehört, ist es gut, wenn wir uns durch den Losungsvers immer wieder neu zum barmherzigen Umgang mit denen, die uns Böses tun, auffordern lassen. Wenn wir die Jahreslosung ernst nehmen wird 2011 vermutlich kein besonders leichtes Jahr, aber mit Sicherheit ein besonders gesegnetes.

Andreas Rump