In meinem Arbeitszimmer habe ich verschiedene Fotos von meiner Familie. Man wäre berechtigt zu fragen: „Warum eigentlich?“ Schließlich ist unsere Wohnung nur wenige Meter von meinem Arbeitszimmer entfernt und selbst, wenn meine Familie sich in der Schule oder an der Arbeit befindet, ist es unwahrscheinlich, dass ich vergessen werde, wie sie aussehen. Trotzdem freue ich mich immer wieder über diese Fotos, weil sie mir eine Verbundenheit mit diesen geliebten Menschen geben, die ich in der selben Form ohne die Fotos nicht hätte. Erinnerung ist sehr wertvoll – auch, oder gerade an das, was uns am Wichtigsten ist.
Auch in der Bibel wird viel vom Wert der Erinnerung gesprochen. Israel sollte nicht vergessen, dass Gott sie aus der Sklaverei in das verheißene Land geführt hat. Als Jesus uns das Abendmahl gegeben hat, hat er gesagt: „Das tut zu meinem Gedächtnis“. Unser Monatsspruch stammt aus 5. Mose 30,14:
„Es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Mund und in deinem Herzen, dass du es tust.“
Die Israeliten haben Gottes Gebote anvertraut bekommen. Das anvertraute Wort sollte die Nähe Gottes darstellen und klarmachen, dass Gott nicht weit weg und unnahbar ist. Gott ist gegenwärtig. In 5. Mose 11, 18-20 hatten die Israeliten schon die Aufforderung bekommen, das Wort zu Herzen zu nehmen. Um die Worte nicht zu vergessen, sollten sie sie überall dahin positionieren, wo sie im Alltag wahrgenommen werden könnten: Türpfosten, Stadttore, sogar am Handgelenk und an der Stirn. Von dem her, was wir über die Geschichte Israels wissen, haben sie diese Anweisungen vor dem babylonischen Exil nicht so ernst genommen—und sie haben das Gesetz auch weitgehend ignoriert. Nach dem babylonischen Exil allerdings haben sie sich die Aufforderungen sehr zu Herzen genommen und häufig ganz buchstäblich praktiziert. Bis heute ist es üblich, eine Mesusa an der Haustür eines praktizierenden Juden zu finden. Eine Mesusa ist ein kleiner Behälter, der an einem Türpfosten befestigt wird (siehe Bild). In der Mesusa befindet sich ein Stück Pergament mit Worten aus dem Gesetz. Die Juden haben eine Mesusa an ihrem Türpfosten, damit sie sie an Gottes Wort zu erinnern, auf dass es ihnen ganz nahe sein mag, in ihrem Mund und in ihrem Herzen.
Was hält Gottes Wort für dich ganz nahe? Wo befestigst du sein Wort in deinem Leben, sodass du nicht vergisst, dass Gott dir persönlich ganz nahe ist? Gottesdienste, Bibelstunden und Hauskreise sind einige Angebote, die wir haben, um Gottes Wort nahe bei uns zu halten. Die tägliche Andacht und das Gebet sind Übungen, die uns helfen, die Intimität zu erhöhen, denn bei der Erinnerung geht nicht nur darum, Tatsachen vor Augen zu halten, sondern zu betonen, dass die Beziehung einen zentralen Stellenwert in unserem Leben haben soll. Wenn ich meine Familie ignoriere oder schlecht behandle, wird schließlich niemand die Ausrede akzeptieren: „Aber ich habe doch Fotos von euch in meinem Arbeitszimmer!“ Gottes Wort in unserem Mund zu haben, ist gut, aber erst wenn es auf unserem Herz geschrieben steht, haben wir Gottes Heiligen Geist eingeladen, uns immer mehr nach seinem Abbild neu zu erschaffen.
Pastor Karl Flentje